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Trauern Männer anders als Frauen?

"Und dann brechen sie auch in Tränen aus"

"Wenn ich gehe, geht's". Hinter diesem Titel verbirgt sich eine Wanderung für trauernde Männer. Sie dauert eine Stunde und startet in Haltern am See. Rainer Gessmann ist Theologe und begleitet diese Männer. Und kommt so ins Gespräch.

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Symbolbild Weinender Mann / © Adelaide Di Nunzio ( KNA )

DOMRADIO.DE: Inwiefern unterscheidet sich der Trauerprozess bei Männern von dem bei Frauen?

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Hilfestellung für Trauernde am Arbeitsplatz / © fizkes (shutterstock )

Reiner Gessmann (Theologe und Trauerbegleiter der Gastkirche Recklinghausen):

Ich erzähle einfach mal aus Erfahrung. Ich habe etwa zehn Jahre lang alle vierzehn Tage Trauercafés mit einer Kollegin gestaltet. Diese wurden überwiegend von Frauen besucht. Von daher bin ich der Frage nachgegangen, woran das gelegen haben könnte?

Männer tun sich in Trauergesprächen schwer damit, die emotionale Seite des Trauerns zu zeigen, also zum Beispiel das Weinen. Während die Frau mit dem Trauercafé also sehr gut auch ihre emotionalen Leiden zeigen kann, haben die Männern nach zwei, drei Mal gespürt, dass es ihnen nicht bringt, dort am Tisch zu sitzen. Sie müssen unterwegs sein.

Also gingen wir los und ich merkte direkt, dass man im Gehen mit den Männern leicht über ganz normale, alltägliche Dinge ins Gespräch kommt und dann hinterher, ob beim Bier oder beim Stück Kuchen, auch über die Trauer redet.

In solcher Umgebung zeigen Männer plötzlich richtig ihre Trauer und dann brechen sie auch in Tränen aus.

DOMRADIO.DE: Hat das vielleicht damit zu tun, dass der Mann früher seinen Gefühlen keinen freien Lauf lassen sollte?

Gessmann: Ich denke, das spielt immer noch eine Rolle. Wahrscheinlich ist auch das Emotionale noch anders als bei Frauen. Ich bin kein Psychologe, aber es geht darum, dass Männer mit Trauer klar kommen müssen. Männer möchten am liebsten auch wissen, wann die Trauer zu Ende ist. Trauer geht, wenn man einen Menschen gerne hat, nicht zu Ende. Sie wandelt sich nur.

DOMRADIO.DE. Diese Wanderung, die Sie jetzt machen, ist eine Möglichkeit diese Barriere zu überwinden. Gibt es noch andere Ideen?

Rainer Gessmann

"Wichtig ist, dass Männer jemanden haben, dem sie was erzählen können"

Gessmann: Es gibt noch andere Ideen. Aber es ist sinnvoller, sich auf den Weg zu machen und zu gehen. Wir waren letztes Mal vor den Sommerferien am Flughafen in Marl. Auch da war es viel einfacher, mit Männern ins Gespräch zu kommen, als in einem Café am Tisch zu sitzen.

DOMRADIO.DE: Wie könnte man denn Männer ermutigen, mit der Trauer anders umzugehen?

Gessmann: Wichtig ist, dass Männer jemanden haben, dem sie was erzählen können, und jemand, der zuhört und nicht nach sechs Worten auf die Schulter klopft und sagt "Das muss aber jetzt gut sein".

Es ist gut, wenn man einen festen Kreis hat, einen Verein, einen Freund oder eine Freundin, mit der man über das sprechen kann, was einen im Herzen bewegt.

DOMRADIO.DE: Wenn man Trauer bearbeiten möchte, gibt es gute theologische Ansätze, wie Trauer verarbeitet werden kann?

Rainer Gessmann

"Sie [die Trauer] ist nicht nach sechs Wochen, auch nicht nach einem Jahr vorbei."

Gessmann: Ich stoße mich am Wort "arbeiten". Für mich ist das keine Arbeit oder ein Bearbeiten. Trauer ist etwas wie Liebe. Liebe bearbeiten wir ja auch nicht. Liebe ist etwas, das miteinander geschieht. Das gleiche ist eigentlich auch Trauer. Ich begleite Menschen in ihrer Lebensphase, so wie ich Kranke begleite. Bei Trauer geht es immer darum, dass ich um einen Menschen, den ich geliebt habe oder liebe, trauere.

Wenn ich einen Menschen wirklich liebe, kann man nicht sagen "Nach drei Jahren ist Schluss mit der Trauer". Trauer verwandelt sich, wird weniger oder ganz anders.

Ich denke, es ist unabhängig davon, ob jemand Pfarrer, Begleiter, Theologe ist oder nicht. Entscheidend ist, aus welchem Vertrauen, aus welcher Motivation und welchem Glauben heraus man zuhört.

Jesus hat den Menschen, ob krank oder arm, die Hand gereicht, damit sie aufstehen konnten. Gott lässt niemanden sitzen, der einfach nach einer Hand ruft. Das ist letztlich auch eine Trauerbegleitung. Da ist jemand, der einem auf die Beine hilft.

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Trauernde auf einem Friedhof / © Rawpixel.com ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Es gibt in der Kirche das Sechs-Wochen-Amt. Der ein oder andere sagt sich vielleicht, dass nach sechs Wochen die Trauerzeit auch beendet sei. Sie sehen das aber anders?

Gessmann: Für Menschen, die um einen geliebten Menschen trauern, wandelt sich die Trauer. Sie ist nicht nach sechs Wochen, auch nicht nach einem Jahr vorbei. Zum Teil treffen sich Familien nach einem Jahr noch einmal und das ist sicherlich auch etwas, was gut tut.

Für manche ist auch nicht der Friedhof der Ort der Erinnerung, sondern ein Bild der oder des Verstorbenen in der Wohnung oder was auch immer.

Das Interview führte Oliver Kelch.

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