Spiritualität
Impuls zum Romero – Gedenken
Vielleicht erinnern sich noch einige an die 70iger und 80iger Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts: In vielen Ländern der Welt herrschten Militärdiktaturen - in Südamerika und Mittelamerika über viele Jahrzehnte. Auch in dem kleinen Land El Salvador, benannt nach dem „Heiland“ / dem Retter.
Rettungslos hatten die Militärs dieses Land in die Verarmung für die meisten Menschen dort getrieben und ebenso rettungslos waren die Armen der Gewalt der herrschenden Militärs und Führungsschicht des Landes ausgeliefert.
60.000 Tote hatte bis 1980 schon die Willkürherrschaft in dem kleinen Land gefordert – und der tägliche Terror / das „Verschwindenlassen“ von Menschen – sprich die rechtlose Hinrichtung und die Vernichtung der Leichen, erzeugte ein Klima der Angst und Bedrohung. Es herrschte Bürgerkrieg einer kleinen Clique gegen das Volk.
In dieser Situation wird Oscar Arnulfo Romero Erzbischof in San Salvador, der Hauptstadt dieses Landes, in dem die Kirche eine wichtige Rolle spielt. Romero war bis dato politisch ein der reichen Oberschicht genehmer Kandidat, da er fromm, aber nicht kirchenpolitisch oder sozialpolitisch positioniert war.
Das änderte sich für ihn schlagartig: Rutiljo Grande, ein priesterlicher Freund von ihm, setzte sich für bessere Lebensverhältnisse der Landarbeiter und Kleinbauern-familien ein. Er kämpfte gegen Landvertreibungen der Großgrundbesitzer und organisierte die armen Campesinos genossenschaftlich und gewerkschaftlich. Von den Mächtigen angeheuerte Mörder brachten ihn heimtückisch am 12.3.1977 um.
Der Mord an Rutilo Grande und seinen zwei Begleitern wurde für Romero – drei Wochen nach seinem Amtsantritt als Erzbischof von San Salvador – zum entscheidenden Anstoß, die Perspektive zu wechseln und fortan konsequent für die Armen und Unterdrückten Partei zu ergreifen.
Aus einem eher ängstlichen und weltabgewandten Kirchenmann wurde ein prophetischer Verteidiger der Menschenrechte. Die Ermordung seines Freundes öffnete ihm die Augen und leitete seine Bekehrung zu den Armen ein – wie er nachher öfter zu seiner Entwicklung sagte. Das war, er wußte es, lebensgefährlich.
In Romeros letztem Gottesdienst am 24.3.1980, in dem er am Altar von gedungenen Killern erschossen wurde, war das Evangelium vom Weizenkorn das Tagesevangelium. Romero legte es wie folgt – in der Situation des Bürgerkrieges aus:
„Wir haben gerade die Worte Christi gehört. Es ist zwecklos, sich vor den Gefahren des Lebens zu hüten. Die Geschichte stellt uns Menschen in diese Gefahren, und wer ihnen ausweichen will, verliert sein Leben. Wer sich hingegen aus Liebe zu Christus in den Dienst der anderen stellt, der wird leben, wie das Weizenkorn, das stirbt, jedoch in Wirklichkeit lebt. Stirbt es nicht, so bleibt es allein.
Die Ernte setzt das Sterben voraus. Nur was sich auflöst, trägt Frucht.
Das Evangelium lehrt uns, dass es dem Menschen nichts nützt, die Welt zu gewinnen, wenn er sich selbst verliert. Dessen ungeachtet soll man trotz der Hoffnung auf ewiges Leben nicht aufhören, sich um die Neugestaltung dieser Erde zu bemühen. Diese Arbeit steht in enger Beziehung zum Reiche Gottes.
Das Reich Gottes ist bereits im Keim auf der Erde gegenwärtig. Wenn der Herr kommt, wird es sich vollkommen verwirklichen. Dies ist die Hoffnung, aus der wir Christen leben. Wir wissen, dass jedes Bemühen um eine Besserung der Gesellschaft, besonders wenn sie so sehr, wie die unsrige in Ungerechtigkeit und Sünde verstrickt ist, von Gott verlangt und gesegnet wird.“
Wenig später fielen die tödlichen Schüsse in der Krankenhauskapelle des Hospitals Divina Providencia in San Salvador.
Oscar Romero lebte eine Weizenkorn-Mentalität, wie es Klaus Hagedorn einmal auf den Punkt gebracht hat. Er entdeckte, dass der Lebenssinn nicht darin liegt, ständig um sich selber zu kreisen, die Privilegien zu sichern, den Reichtum zu retten…
„Ich verliere so das Leben“, sagte er. „Es ist ja oft die Angst, nicht zu genügen, nicht anerkannt, nicht geliebt zu sein, die ein ständiges Kreisen um mich selbst bewirkt.“
Bis zur Ermordung seines Freundes war diese Angst in gewissem Sinne für ihn bestimmend. Er legte sie ab – und unermüdlich und unerschrocken prangerte er – mit wie neu geöffneten Augen und Ohren - die Unterdrückung, die Gewalt und die Ausbeutung in seinem Lande an. Dieser lebensgefährliche Einsatz hatte zum Ziel, das Menschsein zu verteidigen und die Würde der Armen zu unterstützen: „Die Ehre Gottes ist der Arme, der lebt!“ so sagte er.
Seine Lebens- und Glaubensgeschichte macht deutlich: Hingabe ist Gewinn; man rettet nur, was man gibt; erst das Loslassen ermöglicht neues Leben, neues Wachstum. Romero wurde zunehmend von einem Gottesglauben getragen und geprägt, der im Gott Jesu den entdeckt, der nicht an den offenen Wunden vorbeigeht – ja, der sie selber trägt und so die Kraft hat, sie zu verwandeln – wie das Weizenkorn, das tief in den Boden fällt und Frucht bringt. Er hat einem Gott vertraut, der nicht als ein strahlende Held daherkommt, ein Gewinner mit Lorbeerkranz, sondern der als Gekreuzigter, tief am Boden liegend, verwundet und durchbohrt– uns begegnet und der, der sein Leben gibt, damit andere Leben haben.
Drei Aspekte, die Romero an uns weitergeben kann:
1.- Es geht auch heute noch an vielen Stellen der Welt um Leben oder Tod:
Stichwort „Syrien“: in diesen Tagen tobt dort schon 10 Jahre der Krieg einer kleinen Herrscherclique gegen die Bevölkerung – mit vielen um ihr Leben Flüchtenden und Getöteten…
Stichwort „China“ : seit Jahren werden Tibetaner und Uiguren unterdrückt, „umerzogen“, vertrieben…
Romero stellt uns an die Seite des Lebens und eines Engagements für ein Leben aller in Würde – gerade auch der Unterdrückten, Misshandelten ...
Wir können da mit unserem persönlichen Handeln - wie mit unserem wirtschaftlichen und politischen Einfluss als Land mehr bewegen – als wir uns oft zutrauen und glauben.
2.- Romero hat sich berühren lassen von den Verwundungen der Menschen. Er inspiriert – sich betreffen zu lassen, den Wunden nachzugehen und den Verwund-ungen abzuhelfen. Den einzelnen Menschen zu sehen – trotz der vielen und all der anderen...- und die Begegnung mit dem suchen, der – wie auch immer – verwundet / verletzt ist. Und dann den Weg mit ihm gehen – auch wenn andere befremdet reagieren / auf Distanz gehen, ja das als Infragestellung oder Bedrohung empfinden – ob in Kirche oder Gesellschaft. Das ist Evangelium konkret.
Stichwort: „Diskrimination und Ausgrenzeung von Menschen bei uns“ : wer Obdachlos in unserer Gesellschaft ist, ist „draußen davor“ - ohne Lobby und Fürsprecher…
Wer in gleichgeschlechtlicher Liebe den Segen erbittet für den Liebesweg – erfährt in der römisch- amtskirchlichen Haltung dazu Verweigerung und verletzende Ausgrenzung…
Romero hat sich jesuanisch in die Verwundungen von Menschen hineinbegeben.
3.- Romero ist ein Mensch konsequenten Mutes. Er hat sich auf die Seite der Opfer gestellt: in einer persönliche- sprirituellen Entwicklung, zu der er „ja“ gesagt hat im Wissen um die Gefährlichkeit, die das für sein Leben hat. Er hat dann mit Mut die Würde der Opfer als Erzbischof in der kirchlichen Hierarchie und als überzeugter Christ in der Gesellschaft eingefordert und verteidigt.
Stichwort: Er kann uns aktuell in der ganzen kath. Kirche als Christen und Bischöfe in der Situation von sexuellem Missbrauch mit vielen Opfern, einen Standort an der Seite der Opfer verdeutlichen – und das Rückgrat geben für das, was -um der Opfer willen -Not tut und systemisch wie menschlich verändert werden will und muss. ..
Romero: Ein Mensch konsequenten Mutes mit einem „Mutfunken“, der überspringen kann und darf.
Romero inspiriert für heute. Ein „Denken an ihn“ - ist ein Denken mit Impuls für Jetzt und Hier. Wie sagte er: „Entweder dienen wir dem Leben der Menschen… oder wir sind Komplizen des Todes.“
(L. Ernsting)